Der Tag, an dem der Mond verschwand

Am Tag, an dem der Mond verschwand, wollte Karl am liebsten mit seinem Seil spielen. Anna aber bestand darauf, Trampolin zu hüpfen.
»Auf einem Trampolin kann man nur hopsen«, sagte Karl verächtlich.
»Und ein Seil liegt nur rum«, sagte Anna schroff und schwärmte verträumt: »Mit einem Trampolin kann man bis zum Himmel fliegen.«  Da musste Karl laut lachen. »Kann man überhaupt nicht! Aber mit einem Seil kann man den Mond fangen.«   Anna wurde feuerrot vor Wut. »So was Dummes habe ich ja noch nie gehört!«
Dann gab ein böses Wort das andere … An einem schönen Sommernachmittag stritten sich Karl und Anna. Sie stritten sich so sehr, dass sie danach kein Wort mehr miteinander sprachen. Und sie wollten es auch nie wieder tun. Worüber sie sich gestritten haben, daran konnte sich Karl schon bald nicht mehr erinnern. Aber das war ihm auch egal. Er konnte sehr gut ohne seine Anna spielen … Konnte er?

Poetisch illustriert von Martina Matos

360 Grad Verlag, März 2020